Wir gingen ins Theater. Mehrfach wurde uns versichert, das Stück „Sternenstaub“ sei so unglaublich typisch für Uruguay. So ein Glück auch, dass wir das nun gerade ansehen können. Denn: so typisch! Das Stück war so eine Art Karnevalshow mit Musik und Spaß. Z.B. purzelten zwei dicke Männer in Unterhosen und lila Mädchenperücken über die Bühne und benahmen sich affektiert. Draußen regnete es. Nach diesem Theater und einem Stadtrundgang konnten wir Montevideo Montevideo sein lassen und verbrachten wir die Zeit in unserem schönen Zimmer in Montevideo und ließen die intensiven Eindrücke von Buenos Aires erst einmal setzen.
04.03.- 07.03. Rio de Janeiro – Brasilien
Rio de Janeiro ist ja hauptsächlich durch eins bekannt: Hightex baut das Stadiondach für Maracana, die Austragungsstätte für das Eingangs- und das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien. So konnten auch wir es uns nicht entgehen lassen, dieses Spektakel zu besuchen. Hannes, DER Mann vor Ort, der alles lenkt und waltet, hat uns mit offenen Armen empfangen und so verbrachten wir sehr intensive Tage der anderen touristischen Art.
Der Besuch auf der Baustelle war das Highlight. Nachdem wir fachmännisch mit allen Sicherheitsausrüstungen ausstaffiert wurden, sind wir dann auf das Dach gestiegen. Von dort hatten wir einen beeindruckenden Ausblick auf das Stadion und Rio. Wir waren jedoch nicht allein. Maracana liegt derart im öffentlichen Interesse, dass ständig Hubschrauber von diversen Fernsehteams um das Stadion kreisen. Da fühlt man sich doch sehr beobachtet. Wir wurden jedoch sehr herzlich von allen Kollegen begrüßt. Und doch herrscht auch hier der ganz normale Wahnsinn wie auf allen Großbaustellen.
Rio ist am Strand gebaut und dadurch sehr geprägt. Wir waren dort, auch im Wasser und an den berühmten Stränden Ipanema und Copacabana. Die sagenhafte Bikini-Kultur wird nicht nur am Strand gepflegt, sondern von einigen auch auf der Straße. Was auffällig ist, dass die Menschen hier sehr mit ihrem Aussehen beschäftigt sind. Nirgendswo haben wir so viele Jogger, Fitnesscenter, Kosmetikstudios und Friseursalone gesehen. Aufgeschlossen und hilfsbereit werden die Bewohner Rios davon offensichtlich nicht.
Und zu guter Letzt haben wir auch einen sehr schönen Teil von Rio noch entdecken können: Santa Teresa – das Künstlerviertel mit einigen phantastischen Lokalen. Wir haben einen Nachmittag damit verbracht bei möglichst vielen Bars und Restaurants ein zu kehren und jeweils eine Kleinigkeit zu genießen um dann in dem Restaurant, das uns am besten gefallen hat, Abend zu essen. So hatte Rio einen leichten, versöhnlichen Abschluss.
Buenos Aires gefaellt uns sehr gut. Hier könnten wir auch bleiben.
In Buenos Aires ist der Tango zu Hause. Der Tango gehoert zu Buenos Aires wie der Fussball zu Brasilien.
Buenos Aires wird durch den Tango vertreten. Er ist intensiv, obskur, komplex, melancholisch. Gleichzeitig finden wir auch viel Lebenskraft und Zusammengehörigkeit hier in Buenos Aires….und im Tango. Insgesamt haben wir den Eindruck, dass der Umgang in Buenos Aires unkonvertionell, sehr direkt, einfühlsam aber oft politisch unkorrekt ist. Das macht es heiter. Dennoch faellt uns so oft auf, wie respektvoll die Menschen hier miteinander umgehen. Der Inhalt ist wichtig, nicht die Form.
Die Stadt schläft nicht. Die Leute hier brauchen anscheinend kaum Schlaf. Das behaupten sie auch stolz, denn das Leben bietet so viel. Das Leben bietet auch so viel, dass man Mate braucht. Matetee trinkt man sehr stark, bitter. Der Mate hat eine sehr erfrischende Wirkung, belebend, er öffnet die Augen und ermoeglicht einen Sommer mit wenig Schlaf. Mate trinkt man nicht alleine. Der Becher wird geteilt, ob man sich nun kennt oder nicht.
Maria ist unsere Spanischlehrerin.
Sie erzählte uns viel über ihre Stadt und über die Mentalität ihres Landes. Beispielsweise seien die Höflichkeitsformen nicht wichtig. Wichtig ist die Haltung, die Art wie man etwas sagt. Nicht die Form.
Uns fiel auf, dass die sozialen Unterschiede wenig betont werden. Einige Leute sind offensichtlich in finanziellen Nöten. Sie verkaufen dann irgendetwas: Stifte, Lupen, Kopfhörer, …. In der Metro (Subte) werden die Dinge verteilt, bereitwillig angesehen und dann zum Teil gekauft. Es ist üblich, ohne mitleidige, abwertende oder sonstige Mine ärmeren Menschen die Dinge einfach abzukaufen, um sie ein wenig zu unterstützen. Der Umgang bleibt respektvoll, auch wenn jemand offensichtlich in Schwierigkeiten steckt und auf Hilfe angewiesen ist. Maria und andere meinten, es läge daran, dass jeder hier jederzeit verarmen kann. Die wirtschaftliche Lage ist so instabil, dass die Menschen hier damit rechnen, dass eine schwierige Lebenssituation auch sie selbst ereilen koennte. Daher vielleicht das Mitgefühl und der respektvolle, hilfsbereite Umgang mit Leuten in einer schwierigen Situation. Geld ist hier Aufgrund der Inflation vergänglich, irreal. Was hier dann einen realen Wert darstellt ist die Zeit. Die Zeit, die man arbeitet. Die Zeit, die man miteinander verbringt. Sagt Maria. Wir konnten nichts gegenteiliges beobachten.
Wir haben uns schnell an den Lebensrhythmus der Stadt angepasst.
Nachts hatten wir oft unsere Tango Lessons bei Alberto Goldberg und Irina.
Alberto kommt vom Theater und vermittelte uns Verständnis für Tango über Theatermethoden. Sehr abgefahren. Somit gewann der Tango eine andere, neue Dimension für uns als nur tanzen. Wir haben den gemeinsamen Tango- walk gelernt. Und wir haben auf den Zwischenraum beim Tanzen geachtet. Der Raum zwischen den beiden Tanzenden ist am wichtigsten. Er muss „sauber“ bleiben. (Wie denn? Fragt Goldberg!) Und wir durften nicht auf unsere Fuesse schauen beim tanzen. Aber wir durften grosse Schritte machen. Und wir sollten besitzergreifend sein. Aber wir durften nicht verkrampfen. Wir sollten uns festhalten und Luft lassen. Usw., usw., usw.. An diesem tangomässigen Umgang miteinander konnten wir viel lernen oder uns zumindest damit auseinandersetzen. Alberto Goldberg war unser Tango Guru in Buenos Aires. Er widmete sich uns mit bewunderungswuerdiger Hingabe und Geduld. Nur wenn die Tanzenden nicht in Kontakt waren, war er enttauscht und traurig.
Die Lessons finden z.B. in „la catedral“ statt. Das ist eine sehr alte, stillgelegte Fabrikhalle mit wilden, riesigen Gemälden an den Mauern. Das Mobiliar kommt vom Sperrmüll, vom Service darf man nicht viel erwarten, aber das „la catedral“ ist ein sehr beliebter Ort zum treffen und tanzen. Die Besucher sehen zum Teil so aus, dass man sich nur noch vor ihnen in Sicherheit bringen möchte bis zu unglaublich aufgestrapsten Tango- Grössen. Die Milonga nach den Lessons geht bis 5 Uhr morgens.
Noch einige Erinnerungen, die ein Licht auf BuenosAires geworfen haben:
Die oeffentlichen Busse, sie sogenannte „colectivos“ sind ein Abenteuer. Bei Schrittgeschwindigkeit springt man auf, sichert sich eine Stange zum festhalten. Das ist wichtig, denn der colectivo rast wie ein losgelassener Lindwurm durch die engen Strassen. Da ca. Alle 300m eine Haltestelle ist, haben diese Collectivos hervorrangende Bremsen. Die Touristen erkennt man daran, dass sie quer durch den Bus fliegen. An den Argentiniern scheint die Beschleunigungs- und Bremskräfte nicht zu wirken. Sie stehen entspannt im collectivo und beobachten freundlich die Touristen, die sich wieder an der nächsten Stange ankern in der Hoffnung das nächste Bremsmanöver etwas würdevoller zu überstehen. Ein interessanter Tango wird um die Sitzplätze getanzt.
Natürlich stehen jüngere für ältere, Herren für Damen u.s.w. auf. So findet ein ständiger Platzwechsel statt. Einmal beobachteten wir – und viele andere im Collectivo – ein junges Mädchen und einen älteren Herren, die eine längere Busfahrt vor einem freien Sitzplatz verbrachten um höflich zu diskutieren, dass der Platz dem jeweiligen anderem zusteht.
Nachts fuhren wir mit vier wirklich wild und gefährlich aussehenden Iron-Maiden-Fans im Bus. Zerrissene Shirts, gepierct bis zur Rüstung. Sie saßen im halbvollen Collectivo. Es stiegen drei Tangoprinzessinen zu, reiferen Alters. Sofort springen die Metal-Fans auf und boten den Prinzessinen galant ihre Plätze an.
Auch schön war: eine Frau, die vom Bus aus (im Stau) ihrem Freund auf dem Balkon winkte. Er bemerkte sie nicht. Innerhalb kürzester Zeit riefen und winkten etliche Leute aus dem Bus zum Balkon hoch, damit er sie sähe. Schließlich entdeckte er seine Freundin unter all den winkenden Leuten, winkte ihr, endlich!!! Wir waren erleichtert und entspannt, dass dieser Kontakt zustande kam.
Eines Abends gerieten wir in den Bus nach la Boca. Dort ist der berühmte Fußballverein La Boca Junior, wo die Karriere von Diego Maradonna seinen Anfang nahm. Der Collectivo war überfüllt mit Fußballfans. Sie stimmten ihre Fangesänge an. Sehr laut – aber schön. Es sind episch lange Texte und für uns komplizierte Melodien. Wunderbar melancholische, irgendwie sehnsuchtsvolle Fangesänge. Mal anders.
Kultur und Bildung scheint einen hohen Stellenwert in Buenos Aires zu haben. Kultur und Bildung gehört zu den Menschenrechten. Daher sind hier viele anspruchsvolle, sehr unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen öffentlich, d.h. kostenlos. Von Theater bis zu Rockkonzerten bezahlt die Stadt die Künstler. Die Argentinier rücken dann mit Campingstühlen und Mate an, treffen sich und genießen.
Auch an den Zeitungskiosken ist die Auswahl erstaunlich. Neben Illustrieten werden die Werke von Sigmund Freud angeboten. Zwischen Süßigkeiten findet man das Manifest von Karl Marx.
Es gibt viele Buchläden und Antiquariate in Buneos Aires. Auf der Suche nach spanischen „historietas“ = gezeichnete Geschichten = erzählende Kunst = Comics lernten wir den Buchhändler unseres Vertrauens kennen. Bestimmt ein Nachfahre Che Guevaras, optisch und auch sonst! Er klärte uns mit der ungezähmten Energie, die einen revolutionären Geist auszeichnet, über die Geschichte seines Landes auf. Außerdem zeigte er uns Romane von Camus und anderen Philosophen als Historiettas. Das Leben von Evita Peron, Carlos Cardel u.ä. in gezeichneter Fassung. Da mussten wir uns doch zum Teil mit etwas anspruchsloseren Comics zufriedengeben, da unsere Spanischkenntnisse noch nicht so weit gediehen waren.
Unser Lieblingscafe heißt „la Poesia“.
Der Name ist Programm. Gerne sitzen hie die Poeten, die bei einem Glas vino tinto einige Worte in ein hübsche Büchlein schreiben, um dann wieder sinnierend in die Ferne zu blicken. Die liebenswürdigen Bedienungen wurden Opfer unserer wachsenden Spanischkenntnissen und mussten sich unsere mühsam verspanischten Geschichten anhören. Aber vermutlich waren sie ja Kummer mit den Worten von ihren Poeten gewohnt.
La poesia
Eine beliebte Frage: Was nehmt ihr denn so mit von der Reise?
Schuhe!!!
In Buenos Aires werden wunderschoene Schuhe gefertigt. Hier nur ein kleiner Ausschnitt. Die vielen Geschwister dieser Schuhe sind fotoscheu.