In Indien angekommen …

15.10. – 27.10 Delhi – India

Wir sitzen auf einer Dachterasse über Delhi, rückblickend über die ersten Eindrücke. Auf der Terrasse hören wir die Geräusche nur gedämpft, es ist einigermaßen gepflegt. Eine grosse Mäusefamilie läuft unter unseren Tisch und Stühlen herum, um auch etwas Frühstück zu erhaschen.

Der Verkehr von der Dachterrasse aus

In Delhi ankommend stehen wir auf der Straße vor unserem Hotel. Das alleine ist eine Herausforderung, denn alles geschieht gleichzeitig. Autos, Kühe, Rikschas, Menschen rauschen an uns vorbei. Wir sind im Weg, weil wir uns nicht bewegen. Hier steht man nicht. Wenn wir stehen bleiben, wird uns Hilfe angeboten oder Ware verkauft. Hinter den Rikschas eine Gruppe von Jugendlichen, die uns beobachten. Umwerfend, wie ausdrucksvoll die Menschen hier blicken können. Der tiefsinnige, feurige, verachtende, wohlwollende, herausfordernde Blick wurde hier erfunden. Die Bollywood Filmindustrie hat das nur eingefangen. Kommt der Stummfilm mit dem geschminkten Augen und starken Blick aus Indien???? Die Jugendlichen sehen uns unverwandt in die Augen. Neugierde mischt sich mit Frechheit. In einer Rikscha fahren zwei Frauen in pinke und orange Saris gehüllt vorbei. Sie tragen Bindi, goldene Sandalen, viele glitzernde Armreifen und sind bollywoodreif geschminkt. Ein Kälbchen trottet quasi über unsere Füße. Gegenüber, im Laden, ein Sikh mit riesigem Turban und grauem Bart winkt uns in seinen Laden. Selbst wenn wir wollten, wir könnten die Strasse nicht überqueren. Er fordert Respekt ein, wir sollen kommen, jetzt. Da spüre ich etwas trockenes, knöchernes an meinem Fuß. Ein Bettler ohne Beine rutscht durch den Dreck und fummelt an meinen Füßen um eine Gabe. Vor Schreck laufe ich los und springe zum ersten mal in den indischen Zeitstrom.

Ein Tag vergeht hier, indem wir aus dem Hotelzimmer auf die Strasse treten. Dann erfasst uns ein Fluss, ein Strom von Sinneseindrücken und Ereignissen, der uns erst wieder loslässt, wenn wir Nachts die Hotelzimmertüre hinter uns schließen.

Sprung in den Zeitstrom

Es ist gut, mit einen Plan zu haben um zielstrebig zu erscheinen. Sonst fressen einen die Verkäufer, Touristenschlepper und sonstige Heilige die etwas zu geben und zu nehmen haben auf.
Es ist meistens nötig diesen Plan zu verändern oder ganz loszulassen, weil der Fluss, der einen erfasst, keine Rücksicht auf den Plan nimmt.

Das englische „surrender“ beschreibt vermutlich eine Haltung, mit der man hier durch kommen kann. Oder bayrisch: hilft ja nix!! Oder um Markus zu zitieren: „da muss man a bisserl zammruckn in Indien“ (soviel zum Thema Überbevölkerung).

Einer unserer Pläne war es ein Dirndl mit indischen Stoffen schneidern zu lassen. Der Weg war das Ziel… fragt nicht nach dem (völlig überteuerten) Dirndl!! Schluchzzz!! Das ziehe ich an Fasching als Quastenflosser an.

Sieht auf dem Bild noch besser aus als in Realita.

Aber auf diesem Wege lernten wir eine Sikh Dynastie kennen, interessante Leute: Sikh Stoffverkäufer, die Familie des Stoffverkäufers, den Schneider, seine Angestellten.

Sikh Stoffhaendler

Durch sie gewannen wir einen kleinen Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen in diesem Viertel von Delhi durch die Augen einiger Sikhs, die sich selbst zur Elite in jeder Hinsicht zählen. Sie wirken auch wirklich sehr respektabel.

Der Strassenverkehr verdient noch eine Bemerkung. Die Strasse vor unserem Hotel wäre in Deutschland einspurig, eine schmale Strasse. Doch machen die Inder daraus vier Spuren. Ein Auto, eine Fahrradrikscha, eine Motorrikscha, kein Problem. Doch halt noch ein Auto drauf, und dann wird es auch hier eng. Alle hupen, immer, laut, mit und ohne Anlass. Deswegen müssen die Hupen individualisiert werden: Hupen mit Echo, ohne Echo, lauter werdend, verschiedene Tonlagen. Ob es auch Kuhhupen gibt, oder ob die zahlreichen Kühe auf den Strassen doch muhen, wissen wir nicht. Die Kühe stellen sich mitten auf die Strasse. Dann steht der Verkehr. Hupen, aber, geht immer! Vorfahrt hat hier derjenige, der am wenigsten zu verlieren hat. Das sind die Fahrradrikschafahrer. Sie halten sich an keine Regeln und bremsen nicht, denn es kostet sie immense Anstrengung wieder anzufahren. Sie fahren auch auf großen Strassen gegen den Verkehrsstrom. Europäische Touristen wie wir, die anfangs noch Vertrauen in Fahrzeuge haben, sitzen die ersten Meter belustigt, dann eher verängstigt in den filigranen Rikschas.

Delhi

Damen in der Fahrradrikscha.

Trotz und wegen der vielen fremden Eindrücke sind wir hier happy. Wir fühlen uns sicher und lernen jeden Tag dazu, wie wir uns hier besser bewegen können, ohne unter die mannigfachen Räder hier zu geraten.

Wir haben unseren Aufenthalt in Delhi um eine 4 Tages Tour um das sogenannte „Goldene Dreieck“ Delhi – Jaipur – Agra (Taj Mahal) unterbrochen. Wir haben einen Fahrer angemietet, mit dem wird quasi feudal das Dreieck abgefahren sind.

Elefant im Strassenverkehr
Wer kennt diese Touristin?
Spiegelpalast

Man bewegt sich hier auf dem Touristensuperpfad, einerseits eindeutig Indiens vorrangige Sehenswürdigkeiten andererseits auch die Kehrseite des Gefühls nur als zu melkender Goldesel gesehen zu werden. Nichts destotrotz der Taj Mahal ist umwerfend imposant.

Taj Mahal

Auch ein Klassiker, sollte anders sein, die anderen indischen Touristen konnten uns nicht genau erklaeren wie dieser Klassiker auszusehen hat.
Der andere Klassiker.
Der Klassiker
Schoene Stimmung…(Taj)
Viele , viele Touristen am Taj. Aber wir haben es im Griff.

28.10 – 7.11. Rishikesh

Rishikesh … die heilige Stadt am Ganges. Das hier saubere, klare Wasser des Ganges spiegelt das jeweilige Licht des Tages über Rishikesh wieder.

Blick auf dem Ganges von unseren Balkon aus.

Wir konnten Inder bei ihren morgendlichen, rituellen Waschungen sehen. Auch Ladies in pinke, orange und grüne Saris gehüllt, meist von Goldfäden durchzogen, die Spaß im Wasser haben, nicht unähnlich unseren Jugendlichen in Freibädern.

Schneiderin aus Rischikesch.
Schneiderin und ihr gruener Vogel „ME TOO“.
Neffe der Schneiderin, er kann alles, sagt er.
Er moechte Filmster in Bollywood werden. Viel Gueck!! Ein schoenes Gesicht hilft.

Unser Hotelzimmer bietet uns einen Balkon über dem Ganges, mit Abendsonne. Das Balkongeländer diente den vielen Affen als eine Durchgangsstrasse von einem Haus zum nächsten. Daher waren die Aufenthalte auf dem Balkon manchmal etwas angespannt, da die Affen ihr Recht auf unseren Balkon einforderten. Saßen wir zu nah am Geländer, drohten sie uns furchterregend.

Das ist echt! Und davon gab es Viele!

So klemmten wir in der Abendsonne an der hauswand. Markus hatte ein gelassenes entspanntes Verhältnis zu den Affen.

So lieb haben sie Markus angesehen.

Ich war, sobald größeren Affen sich näherten so schnell im Zimmer, dass mein Verstand garnicht mehr hinterher kam.

Typisches Bild abends auf unserem Balkon.

Abends hören wir Leute am Ganges singen, später lassen sie kleine Schiffchen mit einer Kerze drauf im Fluss schwimmen.

Kühe prägen das Strassenbild. Sie stellen sich auch mal in einen Laden hinein oder jagen lästige Leute einige Meter weit. Besonders lecker war Markus‘ grüne Jacke. Ich habe es verpasst einer Kuh bei ihrem Trott aus dem Weg zu gehen. Sie schubste mich mir einer deutlichen Kopf..Horn Bewegung auf die Seite.

Was den Tourismus in Rishikesh angeht:

Es ist der Ort für Yoga, Medidation, New Age Gurus, ungepflegte Gurus, übergriffige Gurus, Ashrams, Kiffer, Dideridoos, Vegetarier, Erleuchtete, alternativer Kleidungsstil bei massenhaft westlichen Touristen, Dreadlocks …. der gemeinsame Nenner ist…entspannen und runterkommen, bis man kalt wird.

Hier gibt es kein Fleisch, keine Eier, keinen Alkohol. Dafür wird hier gekifft wie wo anders Zigaretten geraucht. Entsprechend liegt eine gewisse Schwere, ein Phlegma, Introvertiertheit und Weltfremdlerei in der Luft. Es lief immer dieselbe, blöde Meditationsmusik in den Cafes. Man sieht hier niemanden herzlich lachen. Eine Russin musste sich die Haare abrasieren, das wollte ihr Guru als Zeichen der Demut und des Gehorsams…..danach sahen wir mehrere kahlrasierte westliche Damen. Natürlich gibt keine Inderinnen mit Glatze.

In einem Gespräch mit einem belesenen, wachen, jungen Mann aus Rishikesh wurde deutlich, dass er den extremen Ashramkult, den Westler hier betreiben, ähnlich befremdend oder altmodisch findet, wie es bei uns ankommen würde, wenn Massen indischer Reisegruppen mehrmals täglich auf deutsch gehaltene Gottesdienste emsigst und andächtig besuchen würden und dann unsere „Droge“, das Bier der Mönche in Unmengen hineinschütten würden. Aber…wäre ja vielleicht sehr lustig!! Und bestimmt belebend für die Gottesdienste. Alkohol ist ja auch enthemmend und anregend.

Wir suchten uns eine Yoga Lehrerin und bemühten sie, nur für uns zwei einen Anfänger Anfänger Anfänger Kurs zu gestalten. Wir drei, Kalpana, Markus und ich schlugen uns tapfer durch 2 std täglich. Der Effekt ist fast verblüffend. Es ist sehr schön, etwas beweglicher zu sein.

Kapala, unsere Yogalehrerin.
Beim Kopfstand hat sie sich dann doch ein bischen zwingen muessen zum laecheln.

Rishikesh war eine Erfahrung wert.

8.11. – 11.11. Mumbai

Mit größte Respekt nähern wir uns Mumbai. Es soll noch chaotischer und extremer als Delhi sein. Das ist schwer vorstellbar. Wir wägen ab, ob wir uns das überhaupt antun wollen. Schließlich ringen wir uns dazu durch, vor allem weil wir den Roman Shantaram gelesen haben, ein dicker Wälzer. Er spielt hauptsächlich in Mumbai. Wir wollen uns die durch das Buch berühmte Bar Leopolds ansehen und andere Orte. Um den Besuch der Stadt unkompliziert zu machen, organisieren wir alles durch. Struktur hilft. Solchen Respekt hatten wir.

Gelandet.
Taxi genommen. Sofort den richtigen Preis angeboten bekommen.
Wir fuhren der großen orangenen Abendsonne entgegen in die Stadt.
Die gut ausgebaute mehrspurige Strasse ist gesäumt von europäisch-englischer, ehemals prächtiger Architektur.
Die Luft ist relativ klar.
Die Strassen sind sauber.
Wir sehen keine Kühe, keine Rikschas, keine Handkarren, keine Menschen, die Mengen Ballast auf ihrem Rücken tragen. All das, an was wir uns die letzten Wochen gewöhnt haben, sehen wir hier nicht.
Mumbai zeigt sich als moderne, relativ aufgeräumte, teils reiche Stadt. Die Bollywood Filmindustrie in Mumbai holt Geld und westlichen Einfluss in viele Viertel.
Im Hotel wurden wir im perfekten Englisch und sehr herzlich empfangen.

Fernseher als Blumentoepfe- Mumbai , etwas hip und kuenstlerisch.

Also: Mumbai Alarm war überflüssig. Natürlich, es ist immer noch Indien, daher anders. Auf den Strassen leben viele Menschen, die betteln. Ein Restaurant oder ein Cafe zu finden, dem man seinen Magen gerne anvertraut ist etwas aufwendig. Die Nachwirkungen der mangelnden Hygiene in indischen Küchen macheten uns wählerisch. Doch ist es nicht sonderlich stressig oder beängstigend tagsüber oder nachts durch Mumbai zu laufen.

Das Leopolds ist eine Bar im westlichen Stil, mit Spiegeln und Marmor. Unverschämt teuer. Trotzdem reingegangen. Der Shantaram Schriftsteller hängt hier immernoch ab. Muss schon 60 bis 70 jahre alt sein. Im Leopolds wird sein Buch verkauft, T-Shirts und andere Fanarrtikel. Wir waren nicht die ersten.

We were there!!!!
Leopold s Bar , beruhmt durch den Roman Shantaram.

Natürlich haben wir uns einen Bollywood Film angesehen. Auf Hindi, ohne Untertitel. Die Handlung war leicht zu verstehen. Schöne, reiche, gutaussehende, indische Studentinnen und Studenten verlieben sich. Schmerz und Glück trifft auf Drama. Große Gefühle wurden im Kino allerdings heruntergekühlt. Die Klimaanlage sorgte für Eiszapfen im Kino, wir hatten nur ein T-Shirt an. Dafür war die Musik so laut, dass man richtig Angst kriegen konnte. Nach dem Film waren wir happy, weil wir uns aufwärmen konnten, der Film für gute Laune sorgt und die Musik noch lange nachhallte.

Sehr schön war ein Besuch in einer großen Gallerie junger indischer Künstler, die wir auch kennenlernten. Handwerklich sehr profesionelle und ideenreiche moderne Bilder, konkret und abstrakt standen zum Verkauf.

„good morning Kalkotta“, Aquarell des Kuenstlers.

Ein anerkannter Künstler, dessen Werke ich in Delhi sehen konnte, heißt Ballkrishna.

Eine Mumbai by Night Sigtseeing Tour zeigte uns Orte, die Nachts besonders reizvoll sind
(wie das Rotlichtviertel).

Getraenkestand
Imbiss
Mumbai bei Nacht….im Hintergrund
Jain Tempel
Bucht von Mumbai „Queens necklace“.
s.u.
Der Viktoria Terminal, Bahnhof von innen.
Schoener Abend

Reality Tours bietet eine Slum Tour an. Ein Großteil des Preises wird in eine Schule und ein Hospital im Slum investiert. Fanden wir gut. Haben wir gemacht. Der riesige Slum erwirtschaftet beträchtliche Summen durch Recyceln. Plastik wird geschreddert und eingeschmolzen. Aus dem Plastikgranulat werden wieder neue Formen gegossen, wie Fernseher, Stühle, etc.. Von bedrucktem Papier werden Kugelschreiberminenfüllungen gewonnen. Blechdosen werden wieder wie neu gemacht. Alles wird verkauft. Der Slum stellt einen nicht mehr wegzudenkenden Wirtschaftsfaktor dar.

Das soziale Zusammenleben der Menschen mit verschiedenen religiösen, kulturellen und nationalen Hintergründen scheint sehr eng, komplex und in gegenseitiger Abhängigkeit zu sein. Die Stimmung war erstaunlich entspannt und freundlich. Natürlich wohnen die Leute hier sehr eng zusammen, die Gassen zwischen den Häusern sind schulterbreit und dunkel. Doch besteht eine Struktur mit Plätzen, Treffpunkten, Banken, Supermärkten und es gibt immer genug Platz für die Kinder um Indiens Nationalsport Cricket zu spielen. Die Arbeitsbedingungen sind sicherlich nicht gut, weil die giftigen Dämpfe eingeatmet werden und Arbeitssicherheit ist ein Fremdwort. Nichts desto trotz wird dieser größte Slum Asiens auch als 5 Sterne Slum bezeichnet.

Foto aus dem Zugfenster. Der Kampf beim Einsteigen.

Wir haben keine Fotos gemacht, das wird auch nicht gerne gesehen.

In einem Musikladen, liebe Freunde, erstanden wir einen Stapel indische musik, die ihr euch im nächsten Frühling gemeinsam mit uns bitte anhört. Auch wir wissen nicht, was uns erwartet. U.a. Musik, die derzeit in Mumbais Clubs gespielt wird.

Hotel in Mumbai ums Eck die Leopold Bar
Abfahrt aus Mumbai

12.11. – Varkala in Kerala

Angekommen im Paradies. Jetzt machen wir etwas klassischen Urlaub. Meer, Palmen, gutes Essen, unkomplizierte, freundliche andere Touristen zum unterhalten.

4 Antworten auf „In Indien angekommen …“

  1. Hallo Ihr Zwei,

    wirklich beeindruckend Euer Indien-Bericht, er macht richtig Laune Indien
    mit allen Schatten- aber auch Sonnenseiten zu entdecken.

    Ulli, machst Du eigentlich Skizzen von der Reise? Wenn ja, stell sie doch auch auf die Website.

    Liebe Grüße aus dem frostigen München (-5° und alles ist angezuckert)
    Helga
    ein

  2. Hallo Ulli, Markus und Paul,

    Wir wuenschen Euch frohe Weihnachten und eine tolle Silvesterfeier!

    Ulli und Markus, Euer Reisebericht ist erste Sahne! Wir verfolgen mit Spannung wie es Euch ergeht und wir freuen uns schon auf Euren Besuch.

    Viele Liebe Gruesse,

    Rudi, Tanya, Isabella, Benjamin und Charlotte

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