Neuseeland, Nordinsel
Nach 5 Monaten in Asien fanden wir uns in einem Land westlicher, genauer: englischer Kultur wieder. Wir treffen auf distanzierte Hoeflichkeit und floskelhafte Freundlichkeiten. Quasi das Gegenteil von Indien. Quasi ein Kulturschock. Wie sehr wir uns an die vielen, kleinen Schönheiten und Marotten Asiens gewöhnt haben, fiel uns hier auf. Die Kiwis, die weissen Neuseeländer auf die wir trafen, erschienen uns anfangs (mit Referenz Indien) erschreckend höflich, unglaubwuerdig freundlich und trotzdem oberflächlich. Das überraschte uns, verunsicherte uns auch etwas und gefiel uns erst nach einiger Zeit. Wir hatten anfangs das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht ganz stimmt. Die Frage war: stimmt bei uns etwas nicht oder bei allen Anderen hier? Kennt ihr den Witz: Fährt einer auf der Autobahn entgegen der Fahrtrichtung, sagt: Alles Geisterfahrer hier oder was??
Um nicht demselben Irrtum anheim zu fallen, überlegten wir uns genau, wie wir uns benehmen sollten, um nicht auf der falschen Fahrbahnseite zu fahren (Linksverkehr!!).
Struktur hilft in solchen verwirrenden Lebenslagen, daher unsere 10 Gebote für Indienreisende, die sich wieder in die Kultur der Individualisten eingliedern wollen:
1. Man schaut seine Mitmenschen nicht an, als ob man ihre Seele ergründen möchte. Ein kurzer Blickkontakt reicht, um zu wissen wo die Kontaktperson sich befindet. Dann spricht man in diese Richtung, sollte sich aber nicht zu viel ansehen dabei.
2. Man lächelt keine Fremden an. Damit bringt man den Mitmenschen in eine furchtbar peinliche Situation.
3. Gestik und Mimik sparsam einsetzen!! Sonst wirkt es so, als käme man aus einem Entwicklungsland….
4. Das gesprochene Wort gibt die Information. Das ist der Kommunikationsweg.
5. Man hält so viel Abstand zueinander, dass man sich weder riecht noch die Körperwärme des Anderen spürt.
6. Man ärgert seine Mitmenschen nicht mit direkten, penetranten Forderungen (wo wir das Draufhalten doch erst so schön gelernt haben!!).
7. Sympathie zeigt man zurückhaltend. Man nimmt keine Geiseln.
8. Man steckt völlig überhöhte Preise würdevoll weg, als würde einem das nichts ausmachen. Auf keinen Fall fängt man hier in Geschäften das Handeln an, auch zeigt man niemals lautstarkes Entsetzen über Preise und/oder Ware.
9. Man gibt hier kein Trinkgeld. Das haben wir erst nach 2 Wochen erfahren. Da steckt dann doch ein Inder im Neuseeländer. Abgreifen, wenns einem so einfach gemacht wird.
10. Ausgelassenes, herzliches Zusammenkommen ist möglich mit Alkohol. Das scheint der Neuseeländer so sehr zu mögen, dass es gleich in der Öffentlichkeit verboten ist.
So kamen wir gut in Neuseeland zurecht und hatten hin und wieder ausgelassene und herzliche Abende……
Die Landschaft ist hier wunderschön und grösstenteils einsam.
Für uns waren die Maoris, ob mit oder ohne Kultur, interessant und sympathisch.
Zwischen den Kiwis und den Maoris scheint eine Hassliebe zu bestehen. Einige Kiwis erzählten uns der „Lieblingsjob“ der Maoris ist die Sozialhilfe, die hier recht hoch ist. Und sonst zeigen sie es den blassen Kiwis gerne als Kämpfer im Pub nach einigen Biers. Das gibt natürlich Mecker!!
Andererseits gibt die alte, erdige, kraftvolle Kultur dieses ehemals kriegerischen Volkes Neuseeland eine Würze, die es auch braucht. Gerne berufen die Kiwis auch auf diese alte Kultur, wertschätzen und pflegen sie, sind stolz darauf, lieben dann irgendwie doch ihre Maoris.
Die Maoris stellen Forderungen nach Landbesitz an den Staat, da es ursprünglich ihr Land ist. Diesen Forderungen wird nur zum Teil nachgegeben.
So besteht eine Spannung im Hobbitland.
Interessant an der Maori Kultur sind
- Haka (Kriegstanz) bekannt durch die Rugby Weltmeisterschaft, sehr einschüchternd.
- Filigrane, grossflächige Tatoos, auch im Gesicht. Die Tatoos geben Auskunft über die Herkunft, Position im Tribe, Tapferkeit.
- Enger Zusammenhalt innerhalb der Tribes.
- Schöne Wechselgesänge
- Naturreligion
- genauso christlich
Mehr haben wir dann nicht mitgekriegt.
Eine Eigenheit der Maoris ist, uns Worte ihrer Sprache nachsprechen zu lassen. Das passierte uns öfter, da die Maoris uns offenherzig und kontaktfreudig vorkamen, wir daher gerne mal hier und da ins Gespräch kamen. So bestand ein Teil der Kommunikation daraus, Maori- Begrüssungsformeln u.ä. nachzusprechen wie brave Schulkinder.
TZZZZZ….
Ein Fall von viel nachsprechen war mit Meinhard (!?!?), einer Maori- Grossmutter, die mit ihrer Nichte und Neffen abends am Strand spazieren ging. Am ersten Abend lernten wir erst ihr Nichte kennen, die sich über ihre Grossmutter beschwerte, auf die sie immer warten müsse. Etwas später kam dann Meinhard, die Grossmutter und verweilte etwas bei uns. Wir hatten viel zu besprechen, einer ihrer Neffen ist in Deutschland. Ein besonders schöner Kontakt…und auch sie lies uns nachsprechen.
Am nächsten Abend trafen wir sie wieder mit einem etwas geduldigerem Neffen, ein hinreissender, grosser, kräftiger, dunkler Typ, der durch und durch homosexuell ist.
Wir durften auch ihm nachsprechen.
Ein schönes Erlebnis hatten wir dort, wo zwei Bäche zusammenfliessen. Einer ist eiskalt, der Andere dampfend heiss. In der Mitte kann man sich die richtig temperierte Stelle suchen und abhängen. Kaum hingen wir im Wasser, kam eine Gruppe Maoris, die lautstark und voller Freude ins Wasser sprangen. Auffallend war, dass sie ziemlich zerhauen aussahen: wenige Zähne, Knasttatoos, schiefe Nase.
Einer rieb sich mit weisser Kreide ein, die am Flussrand zu finden war. Ich fragte, was er mache, er meinte die Kreide sei gut für die Haut, auf alle Fälle besser als viel Wein trinken und dann einen hangover zu haben.
Aha.
Dann machte ich das auch.
Wie sich herausstellte, war das eine Resozialisierungsgruppe. Ex- Drogenabhängige, Ex- Alkoholiker und Ex- Prisoners sollten ihre Wurzeln in der Maori Kultur wiederfinden und dadurch die Kraft aufbauen, Abstand zu nehmen vom ungesundem Lebenswandel.
So sassen wir gemeinsam im dampfenden Wasser. Inspiriert durch unser Interesse zeigten sie uns ein bisschen Haka (Kriegstanz) und sangen ihre Lieder…und wirklich schön.
Dann wurden sie von ihrer grossen, starken, bunt gekleideten (Maori-) Therapieleiterin wieder eingesammelt, und:
TSCHÜÜÜSS
Kreide wurde bislang völlig unterschätzt! In vielen Ländern wird dieses heilige Gut frevelhaft auf Schultafeln verschwendet! Der böse aber schlaue Wolf kannte zumindest die Macht der Kreide und hat sich den Wanst mit 6 Geislein vollgeschlagen, sein Kreidemissbrauch wurde jedoch umgehend geahndet und ihn ereilte die Todesstrafe. Aber Kreide im therapeutischen Einsatz ist großartig. Plane für das nächste Oktoberfest eine Kreideanschlag, da seid Ihr ja wieder da und könnt mitmachen 😉